Susanne M. Riedel – Ich hab mit Ingwertee gegoogelt


Schon eine Weile war ich auf der Suche nach einem Buch, das mich einfach mal von allem ablenkt – etwas Intelligentes, Witziges sollte es sein, von einer Frau geschrieben. Kurz bevor mein Kopf beim Recherchieren auf die Tastatur geknallt ist, blieb mein Blick an einem Titel hängen, der mich innehalten ließ: »Ich hab mit Ingwertee gegoogelt. Mein Leben in Autokorrektur«. Ich merkte, wie mein Magen anfing zu flattern, diese Mischung zwischen Aufgeregtsein und einem beginnenden Lächeln – also checkte ich den Klappentext. Schon nach dem ersten Zitat wusste ich: Jaaaaaaaaa, genau das ist es! Das muss ich lesen. Tat ich dann auch direkt (was euch nun vermutlich nicht groß überrascht). Was soll ich sagen?! Ich habe lange nicht mehr so viel gelacht. Eine Geschichte nach der anderen sog ich in mich auf – manchmal reichte ein kleines Schmunzeln, mal brach sich ein aufsteigendes Glucksen hemmungslos Bahn. Ziemlich oft jedoch hatte ich Mühe, den Ingwertee nicht über das gesamte Buch zu prusten. Die Frau, die mich so wunderbar unterhalten, mir hüpfend, fröhliche Stunden bereitet und mich von öden Dingen wie Wäsche waschen, Staubsaugen – oder noch schlimmer: Staub wischen – abgehalten hat, musste ich unbedingt kennenlernen!   

Susanne M. Riedel – vom Krankenhaus-Sozialdienst auf die Lesebühne

Susanne M. Riedel wurde 1971 in Berlin-Lichterfelde geboren – auch heute lebt sie mit ihrer Familie im geranienträchtigen Süden der Hauptstadt. Nach ihrem Studium der Sozialarbeit und -pädagogik hat sie viele und lange Jahre als Leiterin eines Krankenhaus-Sozialdienstes gearbeitet, wo sie schwerkranke Menschen beraten und Sterbende begleitet hat. Obwohl sie diese Arbeit sehr geliebt hat, spürte sie irgendwann, dass es noch mal Zeit für eine Veränderung war. Um die Schritte auf die Bühne und zum Buch zu wagen, brauchte es dann eine Menge Mutmacher:innen.

»Ich saß damals sehr fest im Sattel und fand mich zu alt, etwas zu ändern.«


Offenkundig auch noch mit gutem Musikgeschmack gesegnet, erzählt mir Susanne, dass sie zu dieser Zeit oft ein Lied von Grönemeyer vor sich hingesungen hat:

»Es gibt viel zu verlier´n / du kannst nur gewinnen / genug ist zu wenig / oder es wird so wie es war.« (aus: »Bleibt alles anders«, © Grönemeyer)

Und dann hat sie sich getraut. Was für eine Story – von Musik inspiriert die literarische Karriere in Angriff genommen. Fantastisch!

Susanne M. Riedel
Foto: © Rolf-Schulten

Seit 2015 ist Susanne M. Riedel erfolgreich als Vorleserin unterwegs. 2018 schließt sie sich der traditionsreichen Lesebühne »Der Frühschoppen« an und zwei Jahre später ebenfalls der legendären Reformbühne »Heim & Welt«. Zu Beginn der Corona-Pandemie entstand unter krisenkalender.de ein herzerwärmender öffentlicher Briefwechsel mit Horst Evers und im Juli 2020 feierte sie ihren ersten TV-Auftritt bei der »Ladies Night« der ARD.

Wie die nächsten Jahrzehnte beruflich für Susanne aussehen werden, weiß auch sie noch nicht:

»Ich liebe das Abenteuer, ich vermisse die Sicherheit. Natürlich will ich gern Autorin bleiben, solange ich kann, aber möglicherweise gibt es auch mal wieder Sachzwänge, die anderes erfordern? Die Pandemie hat ja auch die Kulturszene hart getroffen.«

Es liegt eindeutig auf der Hand: Susanne ist prädestiniert, in die Gilde der Abenteurerinnen aufgenommen zu werden. Also habe ich mich wagemutig aufgemacht, mir über ihren Verlag ihre Kontaktdaten besorgt und sie zu einem Interview eingeladen – ich denke, ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage: ES HAT GEKLAPPT! Extra für euch hat sie ein kleines Vorstellungsvideo gedreht, in dem sie Einblick in ihre Arbeit gibt und verrät, wie sie eigentlich auf diesen abstrusen Buchtitel gekommen ist – ein wenig Vorleseaction mit »Misunderstood« gibt es obendrauf.

Susanne M. Riedel stellt sich vor und liest »Misunderstood«

Ja, auch ich frage mich, wie man bitte auf Geschichten mit geheimnisvollen, eleganten Namen wie »Föhn«, »Logorrhoe« oder »Deine Mudda« kommt. Und nein, die Titel sind nicht schon das Beste. So werden beispielsweise Überlegungen dazu angestellt, ob das Gegenüber Fragen wie »Kriege ich bei Ihnen einen Föhn?« oder »Entschuldigen Sie, wo sind bei Ihnen die Eier?« missinterpretieren könnte. Oder von Begegnungen mit Menschen berichtet, die im Schlafanzug Pensionsschlüssel schwenken und Susanne mit der kurzen Einleitung »Ja hallo, na das ist ja ‘n Ding, dass Sie noch kommen, schon 19 Uhr, meine Güte, aber umziehen tu ich mich nu nich‘ mehr um die Zeit, ne. ‘tschuldigung, aber stört Sie ja nicht, ne; Vater ist beim Kegeln, Mutter gerade im Ort am Singen, Suderburg, na ja, aber nun hab ich den Schlüssel, sie sachte: ›Lass du mal den Gast rein, ne?‹ Und ich sach: ›Mutter, ich hab doch gar keinen Schlüssel‹, und sie so: ›Aber doch, Kind‹, und ich so: ›Nee, den wolltest du mir immer schon geben, haste aber nie‹, ne, na ja, nu hab ich ihn. Denn ma‘ rein in die gute Stube.« ins Haus bitten. Oder es geht schlicht und einfach um generationskonfliktschürende Flachwitze. Die verrat ich euch jetzt aber nicht. Ätsch.

Auf die Frage, wie Susanne denn nun aber solche Geschichten und Pointen findet, sagt sie:

»Die Geschichten finden mich. Ich schreibe nur mit.«

Ach so. Na das ist ja leicht. Sehr abgeholt hat mich auch die, nun, nennen wir sie Weihnachtsgeschichte »Süßer, die Glocken!«. Passt perfekt zum dritten Advent, also los:

Susanne M. Riedel liest »Süßer, die Glocken!«

Mit Kurzgeschichten wie diesen, die den Alltag odenhaft emporheben, sollte es doch ein Leichtes sein, einen Verlag zu finden. Oder nicht?

»Ich habe es bei mehreren Verlagen versucht, das zog sich über Jahre und war mitunter ein deprimierendes Unterfangen. Meistens bekommt man nicht mal eine Absage, sondern einfach gar keine Antwort, das ist bitter. Aber am Ende habe ich mit SATYR meinen Herzensverlag gefunden: niveauvoller Humor, individuelle Bücher, vertrauensvolles Miteinander. Und ein bisschen Abenteuergeist, es mit einer Quereinsteigerin wie mir zu wagen.«

Das klingt ganz schön ernüchternd. Da frage ich mich, welche Voraussetzungen es denn ganz allgemein braucht, um ein Buch zu schreiben. Für Susanne sind es folgende:

»Gute Frage, das könnte ein Verlag vermutlich besser beantworten. Ich persönlich hege von jeher eine große Liebe zur Sprache und schätze Bücher als ganz besondere Rückzugsorte. Man sagt mir nach, dass ich ein Talent dafür habe, Kleinigkeiten zu bemerken, an denen andere vorbeilaufen, und das Komische selbst noch im Tragischen zu entdecken. Der Rest war Mut.«

Und was muss man persönlich bereit sein, in diese Tätigkeit zu investieren oder einzubringen?

»Es braucht eine ganze Menge Zeit, bis man wirklich ein Buch in den Händen hält, das man als authentisch empfindet und so in die Welt schicken möchte. Neben der Zeit braucht es Entschlossenheit und ein hohes Maß an Frusttoleranz: Niemand feiert deine Geschichten bei der ersten Zusendung, es gibt immer Rückschläge und Kritik, das muss man aushalten können, mir fiel das nicht immer leicht. Es braucht Beistand und Unterstützung durch kritische Menschen, bestenfalls einen Verlag wie SATYR, der die Texte mit dem nötigen Abstand betrachtet und ebenso behutsam wie professionell lektoriert und den Feinschliff begleitet.

Hm, was braucht es noch? Wenn es um Geschichten wie meine geht, sicherlich eine gewisse Bereitschaft, sich zu zeigen, wie man wirklich ist. Und dabei gerne auch mal über sich selbst zu lachen. Diese Echtheit macht einen mitunter angreifbar – aber die Leser:innen spüren und schätzen das, davon bin ich überzeugt.«

Das klingt nicht unbedingt nach lockerem Aus-der-Hand-Geschüttel – trotzdem scheint es die Zeit und Mühe aber wert zu sein, dranzubleiben, durchzuhalten und an sich selbst zu glauben. Womit wird man aber belohnt?

Was ist für dich das Beste daran, mit den eigenen Geschichten in die Welt zu ziehen?

»Das geteilte Lachen! Ich liebe es, gerade wenn ich live etwas vorlese, wenn es irgendwo im Publikum ganz leise gluckst und prustet: Wir lachen gemeinsam über das Elend des Älterwerdens, wir rollen im Verein die Augen über unsere Kinder und Eltern und haben sie und das Leben dabei am Ende trotzdem sehr lieb. Manchmal schreiben mir die Menschen auch, berichten von ähnlichen Erlebnissen – von den schrecklichen Muttertagsgeschenken, die sie in der Schublade haben, oder von ihren Erlebnissen mit der Autokorrektur. Manchmal erzählen sie, wem sie meine Geschichte vorgelesen haben und was dabei herauskam, welche Gedanken ich angestoßen habe. Was tröstlich war.
Ich liebe diese Resonanzen, jede einzelne. Es ist, als würde man Steine ins Wasser schmeißen und dann beglückt zuschauen, wie sich die Ringe ausbreiten.«

Und seien wir doch mal ehrlich: Wer hat noch nicht heimlich (oder gar unheimlich) davon geträumt, ein eigenes Buch herauszubringen?

Was würdest du anderen Frauen raten, die das Abenteuer »Buchveröffentlichung« wagen wollen?

»Vor allem: Seid euch im Klaren, dass es ein Abenteuer ist. Es braucht einen langen Atem, frischen Mut und einen guten Kompass. Am Ende wartet denkbar selten eine Kiste Gold, überhaupt kommt man vielleicht ganz woanders an, als man dachte – aber nun, das sind ja manchmal die spannendsten Kapitel in der eigenen Biografie.«  

Welches Abenteuer möchtest du als Nächstes erleben oder in Angriff nehmen?

»Das Abenteuer Schreiben & Auftreten dauert ja an, es bleibt aufregend. All das Adrenalin und Lampenfieber reichen locker für ein paar Jahre. Und dann schaue ich mal neu auf meinen Kompass. Ein Roman vielleicht? Oder was ganz anderes? Es wird sich finden. Immer mehr die werdend, die ich bin habe ich mal gelesen. Ich finde, das ist eine gute Überschrift.«

Und was packt Susanne für euch in den Abenteuer-Koffer?

Ich könnte euch noch weiter begeistert von Susannes Geschichten berichten – aaaber ich will ja nicht schon zu viel vorgreifen. Schnappt euch einfach einen heißen Ingwertee, googelt ein bisschen und lest das Buch dann einfach selbst.

Ihr wollt noch mehr über Susanne M. Riedel erfahren? Dann gibt’s hier noch ein paar Links:

Regenrausch – Website Susanne M. Riedel

Susanne auf Instagram

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