Notorious RBG


Ruth Bader Ginsburg – seit Beginn der 70er-Jahre setzte sie sich juristisch für die Frauen und ihre Gleichbehandlung ein. Sie war die zweite Frau, die jemals an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten berufen wurde und vertrat dort unermüdlich die Stimmen jener, die diskriminiert und ausgegrenzt wurden. Ihre Leidenschaft, ihre Rebellion und ihr Glaube daran, dass jeder Mensch gleich ist, hat sie zur Ikone und Legende im Kampf um die Gleichberechtigung gemacht.

Echte Veränderung, lang anhaltende Veränderung passiert Schritt für Schritt.

Ruth Bader Ginsberg

Es ist erst ein paar Jahre her, als ich zum Internationalen Frauentag unser kleines Programmkino aufgesucht habe, um meinen Horizont zu erweitern und mir einen Film über Ruth Bader Ginsburg anzusehen. Gehört und gelesen hatte ich natürlich schon von der Richterin mit dem knackigen Akronym RBG, die am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika schaltete und waltete. Aber eine wirkliche Vorstellung von ihr, ein menschliches Bild, hatte ich nicht. Die Auswirkungen dieses Films und meiner Nachrecherchen: In unserem Küchenschrank steht jetzt eine Kaffeetasse mit einer der typischen RBG-Cartoons. Ich denke, es ist also klar, was das Vorhaben zur Horizonterweiterung am Frauentag bewirkt hat.

Ruth Bader Ginsburg selbst und ihr Leben sind wohl kaum in einem Satz zusammenzufassen, und will ich es dennoch versuchen, so kommt dabei nur eine Aneinanderreihung von Adjektiven wie mutig, kämpferisch, aufrichtig, stark, unerschütterlich und bewundernswert heraus. RBG war eine kleine und zierliche Frau, aber ihre wahre Größe reichte gut und gerne an den Mount Everest.

Vom Brooklyn-Girl zur Harvard-Absolventin

Ruth wurde am 15. März 1933 in Brooklyn, New York City, als Joan Ruth Bader in eine einfache Familie hineingeboren. Dank der Prioritäten, die Ruths Eltern gemeinsam setzten, erhielt sie eine zu dieser Zeit und in dieser sozialen Schicht eher ungewöhnliche hohe Bildung für ein Mädchen. Erst der High-School-Abschluss, dann das Bachelor-Studium mit Auszeichnung und schließlich, als eine von neun Frauen, Studentin und Absolventin der Rechtswissenschaften an der Harvard University.

Ihren Ehemann Martin Ginsburg lernte sie bereits im Bachelor-Studium kennen und lieben. Erst nach der Hochzeit und der Geburt ihres ersten Kindes nahm Ruth das Studium der Rechtswissenschaften auf, was uns sehr viel über die fortschrittliche Einstellung ihres Ehemannes verrät. In vielen unzähligen Interviews erklärt RBG, wie dankbar sie für ihren Mann und dessen Einstellung war, und Martin Ginsburg sagte das Gleiche über sie.

Schon früh erkrankte ihr Ehemann an Krebs, sodass Ruth neben dem Studium nicht nur ihr Kind versorgen, sondern auch ihren Mann pflegen musste, der aber letztlich die Krankheit für viele Jahrzehnte besiegen konnte. Ihr Wille weiterzumachen muss unbändig gewesen sein, denn sie schaffte auch den Harvard-Abschluss mit Bestnote.

Eine Kämpferin mit ungebrochenem Durchhaltevermögen

Nach ihrem Studium fand sie, wie so viele Frauen, vorerst keine Anstellung, konnte dann aber für wenige Jahre eine Stelle als Rechtsreferendarin bekleiden, bis sie an der Columbia University in einem Projekt über internationale Rechtsverfahren eingesetzt wurde. Ihre Arbeit fand zur damaligen Zeit unerwartete Anerkennung, und so wurde sie 1963 als Professorin an die Rutgers University in New Jersey berufen. Selbstverständlich erhielt sie mit der völlig logischen Erklärung, dass sie einen Ehemann hätte, eine deutlich schlechtere Bezahlung als ihre männlichen Kollegen.

Die Schwangerschaft mit ihrem zweiten Kind verbarg RBG, so lange es ging, um sich nicht weiteren beruflichen Herabsetzungen auszuliefern. Mit der Geburt wechselte sie erneut ihre Anstellung und erhielt als erste Frau einen Lehrstuhl an der juristischen Fakultät der Columbia in New York City. Zu dieser Zeit begann sie, für die Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union als Anwältin für Gleichstellungsfragen tätig zu werden. Ihre Hartnäckigkeit und ihr Glaube daran, dass alle Menschen gleichgestellt sein sollten, machte sie zu einer Kämpferin mit einem seltenen Durchhaltevermögen.

Trotz stetig auftretender Hürden schaffte sie es, ganze sechs Rechtsstreitigkeiten zu Gleichstellungsfragen bis vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, den Supreme Court, zu bringen. Als wäre das nicht schon beeindruckend genug, konnte sie, gemeinsam mit ihrem Team, ganze fünf der sechs Verfahren für sich entscheiden. Diese Gerichtsverfahren und die damit einhergehenden Urteile waren und sind die Wegweiser zu einer – wenn auch langsam – wachsenden Geschlechtergleichstellung.

Nur weil wir einer Gruppe angehören, die historisch gesehen immer diskriminiert wurde, soll uns das nicht davon abhalten, unser Talent voll auszuschöpfen, das tun, was wir wirklich wollen!

Ruth Bader Ginsburg

Von der Klägerbank auf den Richterstuhl

1980 wechselte RBG im wörtlichen Sinne ihren Standpunkt im Gerichtssaal. Von der Klägerbank ging es durch die Benennung von Präsident Jimmy Carter auf den Richterstuhl am Bundesberufungsgericht Columbia. Auch hier wurde sie ihrer Aufgabe mehr als gerecht und schaffte es schließlich 1993, für den Sitz am Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten durch Bill Clinton berufen zu werden: die zweite Frau, die jemals auf einem der Richterstühle des Supreme Court platznehmen durfte. Von einem in den 30er-Jahren geborenen Mädchen aus den Arbeiterwohnvierteln in Brooklyn zur Richterin des obersten rechtssprechenden Staatsorgans der Vereinigten Staaten – wem da nicht eine Gänsehaut über die Arme huscht, der weiß nicht, was es bedeutet, ungleich behandelt zu werden.

Ruth Bader Ginsburg als RichterinEs waren ihre richterlichen Entscheidungen im Sinne der Gleichbehandlung und -stellung am Supreme Court, die Ruth Bader Ginsburg zu ihrer Popularität weit über die Grenzen der USA hinaus führten. Eines der meist verwendeten Zitate von ihr wird wohl auf ewig die kurze, aber sehr eindrucksvolle Aussage »I dissent.« sein – »Ich widerspreche.«. Und genau das hat sie ein Leben lang getan. Ruth widersprach dem allseits beliebten Motto: „Das war schon immer so, deswegen bleibt es auch so.“.

Für ihren unermüdlichen Kampf für die Gleichbehandlung, den sie mit einer beeindruckenden Brillanz und einem einnehmenden Charme führte, wurde sie mehrfach zu Lebzeiten ausgezeichnet und geehrt. So erhielt sie unter anderem 2019 den Berggruen-Preis für ihre rechtliche Pionierarbeit im Bereich der Geschlechtergerechtigkeit, 2015 wurde sie mit der Freedom Medal des Four Freedoms Awards geehrt.

Seit Ende der 90er-Jahre litt RBG immer wieder an schweren Krebserkrankungen, aber auch das hielt sie nicht davon ab, ihren Sitz bis zu ihrem Tod im September 2020 vor einer Neubesetzung durch den zu diesem Zeitpunkt amtierenden Präsidenten Trump zu verteidigen. 

Es gäbe noch so viel mehr zu sagen …

Ein Artikel wie dieser, der nicht mehr als zehntausend Zeichen haben soll, kann der eindrucksvollen Geschichte dieser Frau nicht gerecht werden. Selbst ein Buch mit tausend Seiten würde dies nicht leisten können, denn RBG war in dem, was wir von außen beurteilen können, eine wirkliche Kämpferin, die sich dem Abenteuer Leben mit all seinen Hindernissen auf viele verschiedene Arten und Weisen immer wieder gestellt hat.

Ruth Bader Ginsburg war und ist für viele Frauen jedes Alters ein leuchtendes Vorbild. Jedes Mal, wenn ich die Kaffeetasse mit ihrem Cartoon-Abbild aus dem Schrank nehme, erinnert sie mich an ein Zitat von ihr: »Kämpfe für die Dinge, die dir wichtig sind. Aber kämpfe so, dass sich dir andere anschließen wollen!«. Dieser Frau bringe ich all meinen Respekt entgegen, denn sie hat sich nicht von Ärger und Wut über die schreiende Ungerechtigkeit leiten lassen, sondern danach gestrebt, besser und klüger zu sein als andere und damit der Gleichstellung auf den Weg geholfen.

Vielleicht hätte Ruth gesagt …

Wäre mir die große Ehre zuteilgeworden, RBG zu fragen, was sie in unseren Abenteurerinnen-Koffer packen würde, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie vielleicht das Folgende gesagt hätte:

Ich packe unseren Koffer und nehme mit: den Mut zu widersprechen, damit jede Abenteurerin die Möglichkeit hat, ihr Talent auch entgegen der Meinung anderer auszuschöpfen, um das zu tun, was sie wirklich tun will.

Illustrationen: © Mariann Rose

Kommentare sind geschlossen.

  • Folgt und herzt uns doch gern auch bei Instagram 🤩:

    Instagram