Die Kinder meiner beiden Geschwister kennen mich als »die Quatschtante« – neben diesem hehren Bildungsauftrag ist es mir zudem ein großes Anliegen, auch als Musik- und vor allem Büchertante verstanden zu werden. Anfang des Jahres erblickte meine winzigliche Nichte das Licht der Welt – Zeit, mich wieder intensiver mit dem Kinderbuchmarkt auseinanderzusetzen, damit ich, wenn sie bereit ist für ausführliche literarische Debatten, auch mit dem neuesten Schrei der Szene um die Ecke kommen kann. Bei meinen Recherchen bin ich dabei auf »Hurra, wir spielen ein Konzert« gestoßen – mit den idealen Zutaten für ein spannendes Kinderleseabenteuer: einem Eichhöööörnchen, einer Geige, zwei Freunden, miesepetrigen Gegenspielern, Selbstzweifeln, die in Mut verwandelt werden, und einem musikalischen Happy End. Yeah!
Während ich so vor mich hin las, ruckelte irgendwas in meinem Gehirn – der Autorinnenname kam mir doch bekannt vor?! Tatsächlich, Marie-Luise Dingler kenne ich bereits aus meiner Zeit als Musikredakteurin – zusammen mit ihrem Bruder spielt sie im Violinduo The Twiolins. Mit ihrer »progessive classical music« haben die beiden schon zahlreiche Preise abgeräumt und hauen weltweit die Leute aus den Socken. Und jetzt schreibt sie auch Bücher? Wie es dazu kam, worum es genau in ihrem Kinderbuch geht und ob sie jetzt die Karriere wechselt, lest ihr hier im Interview.
Eine persönliche Erfahrung wird zur Buchidee
Marie-Luise lebt, gemeinsam mit ihrem Mann, im baden-württembergischen Mannheim. Nachdem ihr Bruder Christoph und sie ihr Violinen-Studium beendet hatten, wollten sie natürlich auch ihr Geld damit verdienen und Konzerte geben – von Kritikern wurden sie hochgelobt, bei Wettbewerben sammelten sie Trophäen wie andere Pokémon-Sticker. Kein Problem also. Oder doch? Die 36-Jährige erzählt, dass sie zunächst nur auf Ablehnung stießen und eine Absage nach der anderen kassierten. Ihnen war klar, dass sie erst einmal lernen mussten, wie eigentlich Akquise richtig funktioniert, trotzdem schockierten sie die teilweise sehr schroffen Absagen.
Diese Erfahrungen und die Geburt ihres Neffen vor ungefähr zwei Jahren haben Marie-Luise letztlich dazu inspiriert, ein Kinderbuch zu schreiben. Sie wollte eine ihrer wichtigsten Erkenntnisse und Erfahrungen für ein gutes Leben weitergeben und hat die Lockdown-Zeiten dazu genutzt, Ideen zu sammeln, in eine passende Geschichte zu gießen und ihr Projekt bis zur finalen Buchveröffentlichung durchzuziehen. Worum genau es in ihrer Geschichte geht, erzählt sie euch gleich selbst:
Ablehnung und Absagen sind ein universelles Thema
Das Gefühl, abgelehnt zu werden und Absagen zu erhalten, kennt wahrscheinlich jede:r. Wir alle müssen uns dem hin und wieder stellen, sowohl beruflich als auch privat. Je früher man ein positives Mindset dazu entwickelt, desto leichter kommt man durchs Leben.
Mir ist auch aufgefallen, dass in vielen Kindergeschichten die Anstrengungen der Protagonisten, etwas Besonderes oder Außergewöhnliches zu machen, meist nicht positiv gesehen werden. Sie sollen wieder in ihren Ursprungszustand zurückkehren. Das hat mir nicht gefallen, denn wir alle wollen uns weiterentwickeln und unsere Talente ausleben.
Für Marie-Luise sind vor allem die Rückmeldungen der Kinder und deren Eltern das Schönste an ihrem Projekt. »Wann kommt die nächste Folge?«, »Über Herrn Schreck wird sich kaputtgelacht« oder »Ich muss jeden Abend vorlesen« sind nur ein paar der positiven Reaktionen. Tatsächlich sammelt die frisch gebackene Autorin bereits Ideen für ein kommendes Buch, sodass die Kinder sich bereits jetzt auf eine Fortsetzung freuen können.

Von A wie anfangen bis Z Zeit einplanen
Ein Buch schreibt und veröffentlicht man nicht mal eben in einer Woche – was brauchte es denn, um es fertigzustellen und was muss man generell bereit sein, zu investieren oder einzubringen, wenn es um den hart umkämpften Buchmarkt geht?
Für Marie-Luise war vor allem Ruhe der entscheidende Faktor, da es ja ein völlig neues Feld war, in das sie sich vorgewagt hat. Der Lockdown kam ihr für das kreative Schreiben ganz gelegen – für das zweite Buch braucht sie aber nicht unbedingt nochmal einen, lacht sie.
Möchte man mit einem Verlag zusammenarbeiten, braucht man sehr, sehr viel Geduld – bis zu sechs Monate auf eine Antwort zu warten, ist nicht ungewöhnlich. Kommt bis dahin nichts, kann man es als Absage verbuchen. Diese Geduld hatte Marie-Luise nicht und entschied sich fürs Selfpublishing. Hier muss man wiederum enorm viel Zeit in die Recherche investieren: Entscheide ich mich für einen Book-on-demand-Anbieter? Lasse ich direkt drucken? Wie finde ich einen Vertrieb? Hier gibt es nicht wirklich viele seriöse Informationsstellen im Netz, es war ein ganz schöner Dschungel, durch den sie sich kämpfen musste, verrät sie mir.
Für die Kinderbuchbranche erhofft sie sich, dass sich die Verlage, genau wie Musiklabel, schnell mit den digitalen Möglichkeiten und den sozialen Medien beschäftigen.
Überall liest man, dass Verlage straucheln, dass Autoren schlecht bezahlt werden und die Verkaufszahlen zurückgehen. Wenn ich aber sehe, wie wenig Werbung für neue Bücher gemacht wird, wundert mich das nicht.
Mir wurde für mein Buch auch ein Verlagsvertrag angeboten, aber das Honorar war so haarsträubend, dass ich schnell abgelehnt habe.
Anderen Frauen, die das Abenteuer »Kinderbuch schreiben« wagen wollen, rät sie, einfach loszulegen, einfach draufloszuschreiben und die Geschichte, die heraus muss, so schnell es geht festzuhalten. Alles Weitere, ob mit oder ohne Verlag, findet sich dann. Ganz wichtig sei, nicht zu früh aufzugeben. Wenn sich kein Verlag findet, dann sollte man ruhig in den Selfpublisher-Bereich gehen – und sich hier darauf einstellen, für den Rest seines Lebens Werbung zu machen, lacht sie. Wenn man einen langen Atem beweist, wird es auch ein Erfolg.

Die Frau hinter der Geschichte
Ein paar persönliche Details wollte ich von der kinderbuchschreibenden Geigerin, die mit ihrem Mut, einfach loszulegen, ansteckend wirkt, auch noch wissen. Wer sind beispielsweise ihre eigenen Vorbilder?
Persönlichkeiten wie Anne-Sophie Mutter, die nicht nur durch ihr hervorragendes Spiel besticht, sondern auch durch ihren unermüdlichen Einsatz für die gute Sache (sie stellt sich für viele Charity-Organisationen zur Verfügung). Aber auch die YouTuberin aus Sallys Welt finde ich faszinierend und schaue mir viel davon ab.
Und worauf ist sie besonders stolz?
Dass wir es als Violinduo geschafft haben. Als wir begonnen haben, hat niemand an uns geglaubt, immer wieder haben wir Aussagen wie »Nur zwei Geigen – das klingt doch nicht« oder »Da fehlt doch das Klavier/das Cello/der Bass« etc. gehört. Auch unser professionelles Umfeld hat nicht geglaubt, dass wir daraus eine Karriere machen können. Vier Alben, viele Preise und unzählige Konzerte später können wir lachend das Gegenteil behaupten.
Höchst spannend finde ich ja auch, was Marie-Luise auf ihrem bisher größten Abenteuer erlebt hat – als Teil eines Orchesters reiste sie vor ca. 15 Jahren nach China. Die Tournee fand im Winter, bei minus zwanzig Grad, statt, ein Musiker erkrankte und das gesamte Orchester steckte sich gegenseitig an. Den Zustand der sanitären Anlagen beschreibt sie als seeeehr abenteuerlich, das Essen wiederum als fantastisch. Allerdings verzichtet sie seitdem gern auf Jasmin-Tee. Trotzdem wurde sie zu einem großen China-Fan, auch wenn sie die politischen Zustände schwierig findet, tourte 2018 mit eigenen Konzerten wieder durch das Land und war begeistert über die Entwicklungen in dieser Zeit. Als nächstes Abenteuer würde sie am liebsten eine Stradivari-Geige spielen und eine Russland-Tournee starten, wenn es wieder sicher genug ist.
Und sonst so?
Was Marie-Luise in unseren Abenteuer-Koffer gepackt hat, erspäht ihr hier:
Seid ihr neugierig geworden? Marie-Luise hat für euch eine kleine Leseprobe aufgenommen: