Es reist sich besser mit leichtem Gepäck

Mit freundlicher Unterstützung von Octomoves


Es hat viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber letztlich hat mich die Sehnsucht des Unterwegsseins doch gepackt. Warum Überzeugungsarbeit notwendig war, um mich zu einem Reiseabenteuer zu überreden, ist eigentlich recht schnell zusammengefasst: campen. 

Ja, das »Wie« des Reisens stellte mich vor eine große persönliche Herausforderung. Aber wie heißt es heutzutage immer so schön? Du musst ganz dringend mal deine Komfortzone verlassen. Okay, dann verlasse ich also – sehr schweren Herzens – ebendiese Komfortzone. Man sollte ja aber nicht gleich ins eiskalte Wasser springen – ist in meinem Alter auch nicht mehr zu empfehlen –, sondern eher vom Mittelmeerbaden im Mai auf Ostseebaden im August umsteigen. In diesem Sinne verstaubt das alte Zelt also erstmal schön weiter auf dem Dachboden und stattdessen kommt ein kleines Wohnmobil zum Einsatz. 

Das Wohnmobil soll ja quasi das Ferienhaus bzw. die Ferienwohnung ersetzen, und so komme ich schon nach der ersten Begehung der fahrenden Ferienunterkunft an meine Grenzen, denn eine »Begehung« ist eigentlich nicht möglich: Man steigt ein und hat mit einer Armesbreite jeweils schon das andere Ende der Behausung erreicht. 

Eigentlich brauche ich keine riesige Fläche, im deutschen Durchschnitt habe ich eine sehr kleine Wohnung für einen Zweipersonenhaushalt, aber das Reisemobil ist schon mehr als winzig. Es ist ein Kastenwagen von 5,40 Metern Länge – das macht das Fahren im Straßenverkehr natürlich sehr wendig, von Wendigkeit meines Körpers im Wohn-Schlaf-Küchen-Bereich hingegen kann nicht die Rede sein. 

Die neue »Ferienwohnung«

Weniger soll angeblich mehr sein

Wie üblich habe ich mir eine Packliste angelegt, aber diesmal habe ich sie gefühlte tausend Mal überarbeitet. Die erste Liste nahm drei vollgeschriebene A4-Blätter ein, dabei hatte ich die Seite in zwei Spalten geteilt. Nach wiederholter Optimierung der Anzahl von diversen Kleidungsstücken, Schuhen und Freizeitutensilien freute ich mich über eine zweiseitige Packliste mit nur einer Spalte.

Ziel unserer Reise waren Dänemark und Südschweden – es ist also völlig klar, dass ich nicht mit einer A4-Seite hingekommen bin, denn im Norden sollte man auf alles gefasst sein: starken Wind, Regen und Temperaturen unter 20 Grad. Da bedarf es schon der einen oder anderen Jacke. Ich weiß nicht, wie viele Abende sich meine Frau bemühte, mir zu erklären, dass ich mindestens die Hälfte von meiner Liste gar nicht brauchen würde. Pah, wer‘s glaubt, wird selig. 

Ja, sie spricht aus Erfahrung, weil sie von Kindesbeinen an nur auf diese Weise gereist ist. Damals selbstverständlich im Wartburg und mit Zelt in so richtig »warmen« Gegenden wie der Mala Fatra in der Slowakei. Aber was braucht man schon als Kind, da habe ich auch bloß einen Minirucksack benötigt. Mit Engelszunge hat sie mich dann doch überzeugt, es mal auszuprobieren und wirklich nur das Nötigste mitzunehmen, mich einfach nur auf die Einfachheit einzulassen. 

Als Frau in den Anfängen der Vierziger bin ich natürlich stets achtsam mit meinem Körper und betreibe täglich meine Fitness – und auf die will ich auf keinen Fall, auch nicht auf Reisen, verzichten. Yogamatte, Keilkissen, Knierolle, 1,5-kg-Hanteln, Gummibänder, Sportkleidung und Schuhe … ups, da ist auch schon ein kompletter Schrank im Reisemobil voll. 

Ich hatte es ja fast schon geahnt, aber auch hier machte mir meine Frau einen Strich durch die Rechnung. Sie räumte alles wieder heraus, knallte mir ein fettes Springseil vor die Nase und sagte einfach nur: »Hier, das ist einfach, zeig ich dir, wenn wir unterwegs sind.« Naja, irgendwie ist das schon ein bisschen unhöflich, aber ich sehe es ihr nach, ich wäre auch verrückt mit mir geworden. 

Kaum zu glauben, aber wahr: Trotz mehrfachen Ein-, Um-, Aus- und Wiedereinräumens starteten wir unsere Reise wie geplant. Ich bin kein Freund von Wildcampen, denn die Wildnis will gern wild bleiben und nicht durch massenhaft Autoreifen platt- und festgefahren werden. So hatten wir jeweils einige Nächte auf kleinen unbekannten Campingplätzen inmitten wunderschöner Natur gebucht. 

Übrigens, einen Schrank, das ließ ich mir nicht nehmen, hatte ich komplett mit meiner Fototechnik vollgestopft – als Autorin und Fotografin wäre es ja wirklich fatal, die Ausrüstung auf Reisen nicht stets griffbereit zu haben. 

Ein fettes Springseil bringt die Erkenntnis

Rückblickend gebe ich meiner Frau und Silbermond ohne Widerworte recht: Es reist sich besser mit leichtem Gepäck. Wie einfach es sein kann, wenig zu tragen, habe ich unter anderem bei meiner täglichen Fitness-Einheit gemerkt. Das fette Springseil war übrigens gar kein Springseil, sondern ein Schwungseil. Noch vor dem Frühstück bin ich mit meiner Frau und lediglich einem 450 Gramm schweren Seil namens Flowzilla zum See gelaufen, um eine Ropeflow-Einheit zu absolvieren. 

Das Flowrope einfach überall mit hinnehmen

Das klingt jetzt erstmal nach Trend, aber im Grunde ist es einfach nur ein total cooles Hin- und Herschwingen, das fast jeden Muskel meines Körpers in Anspruch genommen hat. Am Anfang habe ich mich, ehrlich gesagt, ziemlich blöd angestellt, weil ich viel zu viel nachgedacht habe, aber irgendwie hat mich dann die Begeisterung und die Erkenntnis der Einfachheit mitgerissen. Unser morgendliches Ropeflow-Training mit Flowzilla und Phönix (sind das mal coole Namen?) an den unterschiedlichsten Seen und Küsten von Dänemark und Schweden waren für mich irgendwie ein Sinnbild für Loslassen und Bescheidenheit. 

Aller Anfang ist gar nicht so schwer

Es ist schon ein paar Jahre her, aber ich weiß noch, wie ich mich mit vielen anderen in diversen Fitnessstudios angemeldet hatte und von der Flut der Geräte und deren Möglichkeiten geradezu erschlagen war. Wie viel Stress mir damals die Tatsache bereitete, dass ich auch ja alle Geräte und Kurse, die in meinem Abo inklusive waren, voll ausnutzte, schließlich hatte ich sie ja sehr teuer bezahlt. Letztlich führte es immer dazu, dass ich das Abo völlig unzufrieden ohne weitere Besuche des Studios auslaufen ließ. Eine Freundin wiederum hatte ihre Wohnung innerhalb von 10 Jahren mit wenigstens 10 verschiedenen Home-Fitnesstrainern vollgestopft. Mit dem gleichen Effekt.

Und dieses einfache, fette Seil, das nicht einmal halb so schwer war wie eine Milchpackung, konnte ich überall mit hinnehmen – es brauchte keine Sportkleidung, Elektrik oder sonst irgendwas, nur mich und ein wenig Schwung. 

Phönix im Einsatz

Eine ähnliche Erkenntnis ereilte mich, als ich meinen Fotorucksack für eine unserer Wanderungen packte. Vollformatkamera, Weitwinkel- und Teleobjektiv und dazu noch ein 50er- und ein 85er-Objektiv, da ist man mit einem geeigneten Stativ dann schnell bei einigen Kilos, die man viele Kilometer auf dem Rücken tragen muss. Schon nach wenigen Metern hatte ich extreme Rückenschmerzen, also kehrten wir um, und ich packte alles wieder aus. 

Für alle Fälle alles dabei

Mit Zähneknirschen zum echten Urlaub

»Du musst nicht jede Gelegenheit nutzen, um künstlerische Fotos zu machen«, hatte meine Frau zu mir gesagt. Da hatte sie ja recht, aber es bot sich doch eben an! Ich hatte für jede Perspektive das richtige Objektiv, und die Natur hier war geradezu prädestiniert dafür, dass ich sie auf Bildern festhielt. Zähneknirschend ließ ich also meine Kamera im Reisemobil. Alle Wanderungen waren letztlich fantastisch, nicht nur, weil ich lediglich ein Kilo Wasser und eine gut gefüllte Brotbüchse mit mir rumtrug, sondern weil ich auch nicht über die nächste Fotoausstellung nachdachte, sondern ganz losgelöst durch die Landschaft spazierte. 

So ist es besser 🙂

Die Fotoausrüstung lasse ich nächstes Jahr für meine Urlaubszeit zu Hause, ja, wir fahren wieder mit dem Reisemobil, dafür kann ich den Schrank mit all meinen gesammelten Muscheln und Steinen füllen, die ich zu wunderhübschen Dekogeschenken verarbeite. 

Ich bin im Auge anderer wahrscheinlich keine richtige Camperin, aber das ist mir wie immer herzlich egal – aber die Tatsache, sich einmal im Jahr auf das Nötigste zu beschränken, hilft einem, sich den Rest des Jahres zu erden und viel Unnötiges einfach wegzulassen.    


Fotografien: © Marlen Weller-Menzel

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