Avalino – für mehr Vielfalt im Kinderzimmer


Es war wieder einer dieser Tage: Man weiß, was noch alles auf dem Schreibtisch auf einen wartet, die Deadline für den nächsten Text rückt unaufhaltsam näher, das Hirn ist leer. Blöd. Was tut man also? Genau. Wäsche waschen, den Einkaufszettel schreiben und, ganz essenziell, zur Kaffeemaschine schlurfen. Das frische, Neuenergie versprechende schwarze Gebräu in der stressgeplagten Hand, schleppt man sich zum Schreibtisch zurück, um endlich, endlich … die Social-Media-Accounts abzuchecken. So trug es sich auch bei mir an einem düsteren, voll unmotivierenden Freitagmorgen zu. Gelangweilt scrollte ich durch die Aufheiterung versprechenden Instagram-Reels und landete bei einem Gespräch beim Bäcker:

»Hallo, zwei Brötchen und ne Laugenstange, hätte ich gern!«

»Is dit süß, is dit deiner?«

»Ja, das ist meine Tochter.«

»Der ist ja richtig süß!«

»Tochter!«

»Wie heißt er denn?«

»Laura. Und Tochter.«

»Dit is doch ein Mädchenname.«

»Ja, genau. Meine Tochter hat zwar was Blaues an, aber sie ist ein Mädchen.«

Auch nach dem zwanzigsten Gucken könnt ich mich noch in die Ecke kloppen. Ich weiß nicht, wie häufig ich tatsächlich einem solchen Gespräch schon beiwohnen »durfte«. Und tadaaaa, mein gelangweiltes Dasein hatte ein Ende.

Worum geht‘s bei Avalino?

Von der gefürchteten Kinderfrage bei der Tante (»Und jetzt mal Butter bei die Fische: Wann isset soweit?«) über impertinente, rassistische Äußerungen am Erdbeerstand (»Na geht doch, ich wollt schon fragen, ob du überhaupt was siehst mit deinen Schlitzaugen *zwinker*«) bis hin zu Endlosdiskussionen über die LGBTIQ+-Community (»Meine persönliche Meinung ist ja, ich akzeptiere sie, unterstütze sie aber nicht«) greift Britta Kiwit, die hinter Avalino steht, Themen auf, die einen Nerv treffen. Sie hält der Gesellschaft einen Spiegel vor. Einen ziemlich großen. Doch sie hebt dabei nicht den imaginären Zeigefinger, sondern verpackt die Dinge, die falsch laufen, in intelligente, witzige und unfassbar unterhaltende 30 Sekunden – und regt genau damit tatsächlich zum Nachdenken an. Und das mit Riesenerfolg. Mittlerweile hat sie auf Instagram weit mehr als 20.000 Abonnentinnen und Abonnenten. Dabei war ihr eigentliches Ansinnen ein ganz anderes, doch dazu später mehr.

Als die 32-jährige Berlinerin in einer ihrer Storys erzählte, dass sie gerade ihren Job gekündigt hat, um sich nun voll und ganz Avalino zu widmen, war es vollends um mich geschehen und ich musste sie fragen, ob sie Lust hat, eine unserer Abenteurerinnen zu werden, die ihre Geschichte erzählt. Vorsicht, Spoileralarm: Sie hat Ja gesagt.

Bei Avalino dreht sich alles um mehr Vielfalt im Kinderzimmer. Hier werden Kinderbücher und Spielzeug, die mehr Realität und nicht nur klassische und traditionelle Familienkonstellationen abbilden, vorgestellt. Wie zu erwarten, schafft es Britta, sowohl ihre Message als auch ihre Mission von Avalino in unter 30 Sekunden zusammenzufassen 😉 :

Avalino in Kurzfassung

Warum gibt es Avalino?

Welchen Auslöser es für Britta gab, Avalino ins Leben zu rufen, und warum ihr das Thema Vielfalt so wichtig ist, erfahrt ihr jetzt:

»Die Idee kam mir eines Abends im Dezember 2020, als ich meiner Tochter ein Buch über eine Baustelle vorlas. In dem Buch waren zu 100 % weiße deutsche männliche Bauarbeiter abgebildet und meine Tochter, die sonst wild in Büchern auf Personen tippt, die ihr ähnlich sehen, und dann ihre Namen brüllt, blieb bei diesem Buch komplett stumm.

An diesem Abend hab ich mir die etwas zu dramatische Frage gestellt: »Was ist, wenn meine Tochter jetzt denkt, dass sie keine Bauarbeiterin werden kann?« Oder sich zumindest im Laufe ihres Lebens nicht inspiriert fühlt, weil es fast nirgendwo Frauen auf Baustellen in Büchern, auf Berufsmessen oder als Role Models im echten Leben gibt? Und dann gingen die Gedanken erst richtig los: Ich fragte mich, wie einseitig, trist und unwahr die Welt ist, die ich meiner Tochter beim Vorlesen zeige. Und: Wie müssen sich Schwarze Kinder, aber auch Kinder mit Behinderungen oder Kinder mit zwei Papas fühlen, wenn sie sich in Büchern und Geschichten nie wiederfinden und sich nie mit den Charakteren identifizieren können?                                               

Diese Themen sind für mich so wichtig, weil für mich die Abbildung von Vielfalt für eine gerechtere Welt steht. Eine Welt, in der es keinen Rassismus gibt und Hautfarben keine Rolle spielen. In der es kein White Privilege mehr gibt. In der es keine Diskriminierung und Homophobie gibt und schwule Paare sich auf offener Straße küssen dürfen. In der sich jede:r so kleiden darf, wie sie/er möchte und nicht aufgrund der Religion verurteilt wird.

Und da Kinder vorurteilsfrei zur Welt kommen, finde ich es absolut großartig, genau im Kinderzimmer anzufangen und hier veraltete Stereotype gar nicht erst aufkommen zu lassen.«

So kann Vielfalt im Kinderzimmer aussehen

Wie sieht die Zukunft von Avalino aus?

»Das ist eine wirklich gute Frage. Ich habe noch absolut keine Ahnung :). Da das Ganze als Herzensprojekt gestartet ist und ich keine Erwartungen hatte, folge ich weiterhin meiner Intuition. Vor ein paar Wochen habe ich zum Beispiel angefangen, auch kleine humorvolle Aufklärungsclips zu Themen wie ›Genderwahn bei Kindern – rosa für Mädchen und hellblau für Jungs‹ zu machen. Oder beispielsweise auch darüber, wie anti-asiatischer Rassismus im Alltag aussieht. Das kommt super an und so rüttel ich derzeit viele Menschen auf und rege sie zum Nachdenken an.

Ob Avalino eine Bücherplattform, ein eigener Onlineshop, eine Anlaufstelle für eigene Workshops oder andere Produkte, ein Label oder vielleicht gar nichts davon wird, weiß ich tatsächlich noch nicht – und möchte ich auch noch nicht wissen bis Ende 2021. ›Der eigenen Intuition folgen‹ ist momentan noch mein Motto.«

Mal schauen, wo die Reise hingeht

Was ist das Schlimmste, was passieren kann?                                                               

Gibt es ein besseres Motto, als der eigenen Intuition zu folgen? Mir fällt keins ein. Wie genau macht man das aber? Und natürlich stellt sich auch häufig die finanzielle Frage, wenn man ganz neu startet und noch gar nicht weiß, wohin einen die eigenen Ideen so bringen. Für Britta sind Mut, Weltoffenheit, Selbstreflexion, Urvertrauen, Neugier und der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung die treibenden Faktoren. Und eine Portion Ungewissheit ist ebenfalls immer mit dabei, wenn man sich auf etwas Neues einlässt.

»Man muss den Sprung ins kalte Wasser wagen. Das ist oft leichter gesagt als getan. Wir Menschen sind Gewohnheitstiere und es kann sehr beängstigend sein, den sicheren Hafen zu verlassen. Man muss risikobereit sein und keine Angst vorm Scheitern haben.

Was mir immer total geholfen hat, war die Frage: ›Was ist das Schlimmste, was passieren kann?‹ Das hilft einem dabei, festzustellen, dass die Antwort meist gar nicht so schlimm ist. In dem Fall von Avalino bedeutet das, dass ich irgendwann wieder einen Job annehmen und es vielleicht nur noch als Hobby weitermachen würde. Das finde ich vertretbar vom Risiko her :)«

Also, das finde ich auch – diese Frage eignet sich hervorragend für alles Mögliche und wird nun definitiv auch von mir häufiger gestellt werden. Gerade für Angsthasen wie mich ist das ein super Werkzeug, um zu erkennen, dass alles gar nicht so wild ist, wie man es sich vorher ausmalt. Man muss es nur mal nüchtern betrachten – was ist denn das Schlimmste, was passieren kann?

Ödes Studium, echter Impact und ein guter Rat

Ursprünglich hat Britta mal BWL studiert – fand sie ziemlich langweilig, hat ihr aber dabei geholfen, zu verstehen, was sie definitiv nicht machen möchte: zum Beispiel was mit Steuern 😉 Unterdessen fühlt sie sich in der Start-up- und Digitalwelt zu Hause, gründete und verkaufte ein eigenes Unternehmen und war bis vor Kurzem als CXO (Chief Experience Officer) bei der CODE University in Berlin angestellt.

Die Reise mit Avalino macht ihr unfassbar viel Spaß, weil sie ein Mensch ist, der sich gern Dinge selbst beibringt – die perfekte Spielwiese also. Was das Beste an ihrer jetzigen Tätigkeit ist?

»Dass ich zum ersten Mal das Gefühl habe, wirklich einen Impact zu haben, und dass ich die Welt für Kinder ein kleines bisschen besser mache.«

Daneben genießt sie aber auch sehr die Freiheit, jeden Tag von Neuem zu schauen, wo es hingeht – und nicht in irgendwelchen Meeting-Marathons zu hängen.

»Manchmal gibt es Tage, an denen arbeite ich fast gar nicht und erlaube mir den Moment des Innehaltens, um den bisherigen Weg zu hinterfragen und mich neu auszurichten. Das ist ein verrücktes Gefühl, dass ich mir viele, viele Jahre beruflich nicht erlaubt habe.«

Für andere Frauen, die noch unsicher sind, ob und wie sie ihre Ideen umsetzen sollten, hat Britta noch einen weiteren Rat:

»Probiert es einfach aus. Nur so könnt ihr lernen, euch selber zu verwirklichen und Spaß daran zu haben, Fehler zu machen und daran zu wachsen. Lifelong Learning ist mein liebstes Stichwort und es ist nie – wirklich niemals – zu spät, ein neues Abenteuer zu beginnen.«

Britta im Kinderzimmer

Britta, die Abenteurerin

Neben der spannenden Reise mit Avalino soll es im Folgenden noch um die Abenteurerin selbst gehen – worauf ist Britta besonders stolz? Was war ihr bisher größtes Abenteuer, welches steht als nächstes an und was packt sie in unseren Abenteuerkoffer?

»Stolz bin ich darauf, dass ich mich schon so oft getraut habe, meinen eigenen Weg zu gehen. Es ist einfach oft so schwer, wenn alle wissen, was MAN jetzt aber zu tun hat und dass du brav mitschwimmen musst. Mein Mut und Optimismus haben mich schon richtig geleitet und ich bin mir im Leben immer selbst treu geblieben.«

Und die Abenteuer?                                                                      

»Nach meiner letzten Kündigung habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt und mit Mitte 20 eine One-way-Reise nach Südostasien gemacht. Ich wollte einmal am Flughafen stehen und nicht wissen, ob ich in drei Wochen, drei Monaten oder drei Jahren zurückkomme. Letztendlich war ich neun Monate unterwegs. Die Zeit war unfassbar prägend und ich möchte nicht einen Tag missen.«

Wie geht’s abenteuerlich weiter?

»Ich möchte in diesem Jahr 2021 noch ganz viele Dinge ausprobieren, die ich noch nie zuvor gemacht habe. Old keys won’t open new doors.

Es ist so verrückt, wie viel man lernt, wenn man etwas zum ersten Mal macht. Und wie stolz man ist, wenn es dann wirklich klappt oder man besser in etwas wird oder tatsächlich etwas dann auch Erfolg hat. Das ist ein superschönes bestätigendes Gefühl und jeder Tag ein neues Abenteuer.«            

Zeit fürs Köfferchen 🧳

Blick in die Kinderbuchbranche               

Mit ihrem leidenschaftlichen Engagement für mehr Vielfalt im Kinderzimmer wollte ich abschließend noch von Britta wissen, welche Hoffnungen sie für die Kinderbuchbranche und – damit einhergehend – für den Umgang mit Diversität hat:

»Ich sehe schon eine ganz tolle Entwicklung. Wir sind noch weit entfernt von diversen Bücherregalen in großen deutschen Buchläden oder Kaufhäusern, aber es gibt immer mehr und mehr Bücher, in denen die Autor:innen die Wichtigkeit der Diversität aufnehmen und in ihren Stücken berücksichtigen. Das gibt mir Hoffnung.«

Welches ihr aktuelles Lieblingsbuch ist, zeigt sie euch hier:

»Von wegen Bienchen und Blümchen«

Es kann so einfach sein, etwas zu bewirken – manchmal muss man nur seinem Herz folgen und dafür einstehen, was einem selbst wirklich wichtig ist. Danke, liebe Britta, für das inspirierende Interview!

Ihr wollt euch weiter über Britta und Avalino informieren? Dann gibt’s hier noch ein paar Links:

Avalino-Website | Avalino bei Instagram | Bäcker-Reel 😁

Fotos: © Britta Kiwit

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